Winterwald im Bodinggraben

26.02.2005

Schon die Einfahrt in den malerischen Bodinggraben ist Genuß aber auch schon Abenteuer. Unterschätzen sollte man bereits diese Fahrt nicht: Lawinen und Steinschlag können hier jederzeit die Steilhänge herunterdonnern und die Straße erreichen.

Der Frost lässt kleine Bäche am Felsen des Strassenrandes im Winterschatten zu malerischen Eissäulen erstarren.

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Geheimnisvoll ragen teils bewaldete Felsspitzen aus den niedrigen Wolken, die leise den Schnee ins Tal fallen lassen. Die Rotwagmauer, deren Name durch die Einheimischen von den zwei Spitzen, (die sich die Waage halten?), abgeleitet werden. Verdächtig ist der Name auch im Bezug auf Keltische Wurzeln. Ganz in der Nähe ist das "Rotgsol" - und fallweise leiten sich Namen mit "Rot" vom keltischen "roar" (lärmen, brüllen) ab. Aber Vorsicht ist geboten vor allzuschnellen Deutungen ....

Eine alte Holzknechthütte am Wegrand zeigt die Schneehöhe im Tal. Hier waren zu Kriegszeiten Gefangene zur Zwangsarbeit untergebracht. Einheimische erzählen, daß ein ansässiger Förster gut für diese Menschen sorgte, sodaß viele die Heimat gesund wiedersahen ....

Die verfallene Zagglbauernalm - ein Zeichen für den Verfall der Almwirtschaft am Fuße des Sengsengebirges. Nur mehr Kalbvieh, das nicht beaufsichtigt werden muß, wird hier im Sommer aufgetrieben ....

Mächtige abgestorbene Bäume, bewachsen mit Baumschwämmen, bieten dem Schnee halt. Sie ragen wie mahnende Finger in die Landschaft und warnen vor allzu leichtfertigem Umgang mit den Gefahren der Natur.

Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto tiefer und steiler wird der Schnee. Eine gewaltige Lautlosigkeit herrscht hier. Lange schon haben Spuren im Schnee aufgehört. Nur ein einsamer Fuchs hat Stunden oder Tage zuvor denselben Weg wie ich gewählt und sich durch den Schnee gewühlt.

Tief verschneit steht der Stumpf einer vom Sturm oder Schneedruck abgerissenen Fichte da. Die Kälte und der Schatten läßt den Schnee nicht tauen - immer mehr Schneeflocken türmen sich auf die weiße Unterlage, ohne zergehen zu können, und bilden die weißen mächtigen Polster.

Es ist genug - sagt dieser Stamm! Und ich bin einverstanden; unerträglich tief ist der Schnee, der Atem geht schon keuchend, immer öfter mache ich Pausen und stütze mich auf die Stöcke, trotz Schneeschuhen versinke ich bei jedem Schritt, habe nicht genug Halt, um fördernd zu steigen: Ich kehre um, denn auch der Abstieg braucht noch Kraft ....

Aber noch ist der Tag nicht zu Ende: Ein Klumpen am Straßenrand zeugt von einem nächtlichen Drama. Teile eines Rehes - der Größe nach ein Jährling - zeigen die Aktivität der Füchse. Die kalte Jahreszeit und der tiefe Schnee macht den Rehen arg zu schaffen - lange schon hat sie keine Sonne gewärmt, und das Futter ist spärlich bei dieser Schneelage. Für den ebenfalls hungrigen Fuchs eine leichte Beute, wie das zerrissene Stück zeigt. Ein Hinterlauf, ein Vorderlauf und der Kopf ("Haupt" von den Jägern genannt) fehlen - gefressen am Stück oder als Beute verschleppt und vor der Konkurrenz versteckt. Ob die Füchse die Angreifer waren oder nur die Nutznießer, ob eventuell ein Luchs der Jäger war, bleibt ungewiß .....

Murmelnd und gluckernd begrüßt mich der Bach im Talgrund - den ganzen Tag hat kein Sonnenstrahl den Boden erreicht. Den ganzen Tag hat es leicht geschneit. Der ganze Tag - war ein wundervoller Tag! Niemals sollte man Respektlos mit der Natur, und schon gar nicht mit der winterlichen Natur umgehen. Erschöpfung und Kälte sind eine unheilvolle Mischung - jederzeit sollte man als Mensch genug Reserven haben, um mehr als den Rückweg zurücklegen zu können. Schlimm wäre es, wenn der Absteig zum kraftlosen Rutschen wird. Vorbei wäre das Genießen, das Bewundern, das Mittendrin sein - ein Kampf würde beginnen, und das Leben kann der Einsatz sein. Auch bei einer scheinbar einfachen Tour ...

Während ich diesen Spaziergang mache, sind zwei Schitourengeher auf einen nahen Berggipfel unterwegs, die tatsächlich die Tageslänge überschätzen und gezwungen sind, die Nacht im freien zu verbringen. Die Suche durch die alarmierte Bergrettung bleibt erfolglos, aufgrund guter Ausrüstung und Kenntnisse überstehen die Beiden die Nacht am Berg ohne Probleme und können selber das Tal erreichen, wo sie von der Bergrettung empfangen werden .....

 

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