DIE SCHÖNE KATHARINA

Es war einmal ein Landwirt, der eine ungewöhnlich schöne Tochter hatte. Der Ruf ihrer Schönheit verbreitete sich weit über die Grenzen des Landes. Sie hieß Katharina. Auch ein türkischer Pascha hatte von dem Mädchen gehört, und wegen ihrer Schönheit wollte er sie zur Frau haben. Er kundschaftete aus, daß der Vater der schönen Katharina Pferde und Wagen vermietete, und bald hatte er auch in Erfahrung gebracht, welchen Weg der Landwirt in seinem Wagen gewöhnlich nahm. Auf dieser Straße ließ er eine tiefe Grube graben. Um die Zeit der Dämmerung kam der Landwirt mit seinem Wagen angefahren. Da ihm der Weg vertraut war, gab er nicht sonderlich acht, und plötzlich stürzten die Pferde samt dem Wagen in die Grube. Der Arme schrie, rief nach Leuten, rief nach dem lieben Gott um Hilfe, aber nichts rührte sich. Der Türke, der in einem Versteck lauerte, kam nun hervor und erbot sich, dem Landwirt zu helfen, aber nur dann, wenn der verunglückte ihm das gäbe, was seinem Herzen am teuersten sei. Der Landwirt erschrak. „Wie kann ich euch das Teuerste geben? Meine schöne Tochter ist meinem Herzen am nächsten.“
„Dir war sie eine schöne Tochter und mir wird sie eine schöne Frau sein“, sagte der Türke.
Der Landwirt wollte dem Türken seine Tochter nicht versprechen, aber noch weniger wollte er Pferde und Wagen im Stich lassen. Er bot dem Türken Geld an oder Felder, aber der wollte nichts anderes als die schöne Katharina. Als der Türke unerbittlich blieb, gab der Landwirt schließlich nach. Sofort rief der Türke seine Leute aus dem Versteck, und sie holten das Fuhrwerk aus der Grube.
Als der Türke heimgekehrt war, erzählte er seiner Mutter, daß die schöne Katharina zu ihnen ins Haus kommen werde. Sie möge sie gut aufnehmen, ein reiches Mahl richten und die Hochzeitsgäste einladen.
Dem Landwirt aber war das Herz schwer, als er seiner Tochter erzählte, daß sie eines Türken Weib werden sollte.
„Ach, viellieber Vater, für Pferde und Wagen hast du mich an einen Heiden verkauft“, wehklagte die schöne Katharina. Aber weder ihr Jammern noch des Vaters Kummer konnten das Geschehene ungeschehen machen.
Nach drei Tagen sollte der Bräutigam kommen. In der Tat sahen sie zur bestimmten Frist in der Ferne sich eine dunkle Wolke erheben.
„Sind das Wolken oder Vogelschwärme?“ fragte der Vater.
„Ach, viellieber Vater, es sind nicht Wolken und nicht Vogelschwärme, es wälzen sich die heidnischen Türken heran.“
Als der Vater das hörte, sagte er: „Katuschka, meine Tochter, geh in die Kammer und schmücke dich, wie es einer Braut geziemt.“
Katharina ging. Als sie ihr langes gelbes Haar kämmte, klagte sie: „Haare, meine Haare, es ist schade um eure Schönheit.“
Der Türke kam in einer prächtigen Kutsche mit großem Gefolge und vielen Hochzeitsgästen, und als man ihm seine Braut zuführte, war er vor Freude über ihre Schönheit wie betäubt.
Katharina küßte ihre Mutter dreihundertmal und sagte: „Mutter, schau mich recht gut an, du wirst mich nie mehr wiedersehen.“
Und als sie die Türschwelle überschritt, sagte sie traurig: „Bleibe heil, du unsere Schwelle, die meine Füße so oft überschritten haben.“
Und als man sie zur Kutsche führte, rief sie schmerzlich: „Wartet, ihr Vorreiter, ich möchte noch einmal Vater und Mutter danken. Der Mutter danke ich für die gute Erziehung, dem Vater für die schlimme Heirat.“
Sie wollte nicht neben dem Türken im ersten Wagen Platz nehmen, sondern setzte sich in den letzten Wagen neben die Brautjungfern.
Nachdem sie eine Strecke gefahren waren, zog Katharina einen roten Apfel hervor, den ihr die Mutter mitgegeben hatte.
Sie bat eine der Brautjungfern: „Türkische Brautjungfer, leih mir ein Messer, damit ich den Apfel zerteilen kann, ich bin durstig.“ Sie hatte die Absicht, sich das Messer ins Herz zu stoßen. Die türkische Brautjungfer hatte aber kein Messer bei sich.
Sie fuhren weiter und kamen zur Donau. Da rief Katharina: „Türkische Vorreiter, wartet ein wenig, ich möchte gerne Wasser aus der Donau trinken.“ Die Brautjungfern wollten ihr nicht erlauben, den Wagen zu verlassen, sie wollten ihr das Wasser in einem goldenen Kelch bringen.
„Ich wurde nicht gelehrt, aus goldenem Becher zu trinken, aber ich habe gelernt, mich zur Donau zu bücken.“ So sagte Katharina, sprang aus dem Wagen, lief zum Ufer, stürzte sich in die Donau und die Wellen schlossen sich über ihr.
Da sprangen alle Hochzeitsleute aus den Kutschen, suchten und riefen, aber man sah nur die gelben Haare, die auf der Wasserfläche schwammen.
„Fischer, Fischer, werft die Netze aus, meine junge Frau treibt mit dem Wasser hinab“, schrie verzweifelt der Pascha.
Die Fischer warfen die Netze aus. Zum erstenmal – da zogen sie einen Fisch heraus. Sie warfen zum zweitenmal aus, aber das war kein Fisch, den sie diesmal fingen, es war die schöne Katharina. Die Tote wurde in einen kostbaren Teppich gehüllt und dann fuhr man weiter.
Die Mutter des Türken stand vor ihrem Hause und schaute nach ihrem Sohne aus. Sie konnte ihn und seine Braut kaum mehr erwarten.
Als sie aber den Zug so traurig herankommen sah, fragte sie erschrocken: „Habt ihr die Braut nicht?“
„Wahrlich, wir haben ihren Körper, ihre Seele blieb in der tiefen Donau.“
Da begann die türkische Mutter über der toten Braut bitterlich zu klagen:
„Ach, Braut, wovor hast du dich gefürchtet? Du wärst hier nicht auf Kot und nicht auf Brettern gegangen, du wärest geschritten über weiche Teppiche.“
„Nicht harte Arbeit hätte dich erwartet, in Spitzen wärest du dagesessen und mit Gold und Silber hätten deine Finger gestickt.
„Du hättest nicht Hunger gelitten. Aus kristallenen Kelchen hättest du Kaffee geschlürft. Wärst du gekommen ins türkische Land, dann wärst du gestorben auf seidenem Lager.“
Anstatt der Hochzeitsfreude brachte der Türke Trauer ins Haus, und die Eltern der Katharina siechten in Kummer dahin.

Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944

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