Bauer und Knecht

Spät im Herbst hat einmal ein Bauer aus einem kleinen Dorf am Leiserberg*) in aller Früh zu seinem Knecht gesagt: "Michl, drunten im Tale neben dem Bach liegt ein großer Haufen von Baumästen und Gerten, die mir gehören; da gehst du heute hinab und hackst aus dem Holz lauter Bündeln. Dort bleibst du, bis es finster wird, denn die Tage sind jetzt so schon so kurz." –

"Nun ja", sagt der Knecht, "gibt mir der Bauer halt etwas zum Essen mit." - Der Bauer, der ein karger Filz war, gibt ihm ein Scherzl hartes, ausgespertes Brot mit. Der Knecht dreht es in der Hand eine Weil um und schaut es recht verdrossen an. Da sagt der Bauer drauf: "Weißt, das Brot brauchst du nur in dem Bründl, das nicht weit vom Holz ist, gut einzuweichen, dann wird es ein so großmächtiges Stück, daß du dich wundern wirst!"

Der Knecht redet nichts mehr, geht fort und kommt am Abend heim. "Nun", sagt der Bauer neugierig zum Knecht, "hast recht viele Bündeln zusammengebracht?" Der Knecht gibt zur Antwort: "Ratet der Bauer!" Der Bauer sagt: "Nun, vielleicht zwei Schilling?**) - "Ach, so viel wohl nicht!" sagt der Knecht. Darauf der Bauer:
"Einen Schilling doch?" Der Knecht sagt: "Nein!" - Und so handeln sie auf fünf Stück herunter. Der Knecht sagt darauf: "Fünf auch nicht." Der Bauer: "Nun, wie viel denn nachher'?" Darauf sagt der Knecht: "Eins nur, und das weicht sich der Herr ein, und da wird es so ein großmächtiges Bündel, daß es gar nicht zu sagen ist." –

Diese unangenehme Rede schluckte der Bauer hinunter, weil der Knecht sonst fleißig war und ihm kein Knecht noch so lang im Dienst ausgehalten hat.

*) im Weinviertel von Niederdonau.
**) 1 Schilling = 30 Stück. 61

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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