Der Pfaff vom Kahlenberg

Otto der Fröhliche von Österreich hielt sich stets an seinem Hofe zu Wien einen lustigen Rat, damit er ihm durch Spaß und Scherz manch vergnügtes Stündlein bereite. Der berühmteste unter ihnen war wohl der Pfarrer Wigand vom Kahlenbergerdorf, auch "Pfaff vom Kahlenberg" genannt, dem der Herzog besonders gewogen war. Schon als armer Student der Theologie war er durch seine tollen Streiche bekannt; selbst seine Stelle bekam er durch einen seiner lustigen Schwänke. Bei einem guten Bürger von Wien war er damals auf Kost und Quartier und zahlte ihm nicht einen Pfennig, da er auch keinen besaß.

Einmal trug es sich zu, daß Wigand mit seinem Herbergsvater auf den Fischmarkt kam und daselbst einen ungemein großen Fisch sah, den niemand kaufte, weil der Preis zu hoch war. "Das wär etwas für unsern Herzog!", ging es dem Studenten durch den Kopf, und da ihm der gute Bürger das nötige Geld borgte, so kaufte er den Fisch. Hierauf schritt er nach Hause, warf sich in den Sonntagsrock seines Herbergsvaters und trug den Fisch auf die Burg, um ihn dem Herzog zum Geschenk zu machen. Als er jedoch zum Tore hinein wollte, verwehrte ihm der Wächter den Eintritt, und Wigand mußte ihm die Hälfte von dem versprechen, was er als Belohnung erhalten würde, um am Hofe vorzukommen. Der Herzog war hocherfreut und wollte dem Studenten einen Wunsch gewähren. Da erbat sich Wigand als Gegengabe für den Fisch eine Tracht Prügel, und weil er so darauf bestand, bekam er sie auch wirklich. Der Herzog war darüber sehr verwundert und fragte nun, warum er sich nichts anderes gewünscht habe. Hierauf erzählte Wigand, was er mit dem Türhüter ausbedungen habe, der nun auch seine Hälfte bar und richtig aufgezählt erhielt. Der Her- zog lachte über den seltsamen Kauz, fand Gefallen an ihm und berief ihn als lustigen Rat an seinen Hof. Wie die Pfarre zu Kahlenbergerdorf frei wurde, erhielt sie niemand anderer als Wigand.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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