Die Krebsentränker

Obwohl die Mondseer stets kluge Leute waren, wurden sie doch mit dem Spottnamen Krebsentränker bedacht und geneckt. Wie sie nun zu diesem merkwürdigen Namen gekommen sind, erzählt folgende Geschichte:

In alter Zeit geschah es einmal, daß einige Bürger des Marktes spazieren gingen und ihnen auf ihrem Weg ein Krebs zu Gesicht kam. Da sie derlei Getier noch nie er- blickt hatten, blieben sie erstaunt stehen, steckten die Köpfe zusammen, starrten lange Zeit auf das seltsame Wesen und suchten ihren Fund zu deuten. Da meinte einer, der Weiseste unter ihnen, es sei ein ganz besonderer Vogel, dem man seine Aufmerksamkeit zuwenden müsse. Und weil der kluge Mann früher immer das Rechte getroffen hatte, so stimmten ihm die übrigen bei. Nun wurde das Tier gepackt, höchst behutsam mitgenommen und in einen Käfig gesperrt. Man glaubte, es werde nicht lange dauern und der vermeintliche Vogel werde seinen Gesang vernehmen lassen. Es standen also die Mondseer jeden Tag etliche Stunden um den Käfig herum und warteten und warteten. Doch siehe, das Tier war und blieb stumm. Das ärgerte sie und sie zogen sich eines Tages zu einer Beratung zurück, in der sie schlüssig werden wollten, welche Rache sie an dem Vogel nehmen sollten, da er nicht singe. Endlich kamen sie überein, ihm den Garaus zu machen, und zwar, ihn zu ertränken.

Gesagt, getan! Gemeinsam zogen sie zum See und warfen den zappelnden Krebs in das Wasser. Doch seltsam kam es ihnen vor, als sich das Tier in seinem neuen Be- reiche wie neugeboren fühlte und lebhaft hin- und herschwamm. Den Mondseern blieb aber seit jener Zeit der Name "Krebsentränker", worauf sogar Reiseandenken verweisen.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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