Hans, blas ´s Licht aus!

In Frankfurt am Main hauste einmal ein Weinhändler, namens Mauskopf. der die Kunst verstand, aus der Armut seiner Nachbarn Reichtum herauszuschlagen. Wenn er nämlich von einem Winzer hörte, daß es mit dessen Vermögen zur Neige gehe und der nimmer aus und ein wußte, da war er flugs zur Stelle wie ein Geier, der um sein sterbendes Opfer kreist, um sich des Aases zu sichern.

Einmal machte er aber doch eine falsche Rechnung. Ein Winzer an der Bergstraße, wo guter Wein wächst, war genötigt, sein Geschäft zu schließen. Er war in eine arge Zwickmühle geraten. Erst war ihm eine Krankheit in die Weinstöcke gekommen, dann hatte ihm der Hagel den ganzen Wein zerschlagen, daß er zu guter Letzt nicht weiterwirtschaften und aus der Zwickmühle nicht mehr heraus konnte.

Das hatte Mauskopf kaum gehört, als er auch schon wie der Blitz zu dem bedauernswerten Manne eilte, um ihm den Rest seiner Weine billig abzuhandeln: Der Winzer machte auch nicht viel Umstände, wie er hörte, was Mauskopf von ihm fordere, sondern sagte bloß zu seinem Knecht, der daneben stand: "Hans, zünd 's Licht an!" Darauf führte er den Händler in den Keller, in dem die Fässer schon größtenteils leer waren und mit Gestellen, Schaufeln und Hacken, Kraut und Rüben kunterbunt durcheinander lagen. Nur mit größter Mühe gelang es beiden, sich durch das Gewirre hindurch zu finden, um bis zum tiefsten Hintergrund des Kellers zu gelangen, wo noch ein mächtiges, volles Faß stand. Der Winzer gab dem Händler still- schweigend ein Glas Wein zu kosten, und dieser fand den Wein vortrefflich und hoffte darum, einen guten Fang zu machen. Auf die Frage, was der Wein koste, nannte der Winzer einen äußerst geringen Preis. Trotzdem wagte es
Mauskopf, der karge Filz, diesen wahren Schandpreis noch bedeutend zu unterbieten. Im Innern des Winzers wollte darauf der Zorn mächtig auflodern, doch er bezwang sich und sagte bloß: "Hans, blas 's Licht aus!" Hier- auf schritt er mit seinem Knecht durch den finsteren, ihnen wohlbekannten Keller ohne Gefahr und kümmerte sich um den Händler nicht weiter mehr. Dieser hatte nun seine liebe Not, wie er in der Finsternis durch den Wirrwarr aus dem Keller kommen sollte. Er stolperte über einen Kraut- oder Rübenhaufen. dann fiel er über ein leeres Faß, darauf rannte er gegen die Wand und kam zuletzt mit hinkenden Beinen und zerschundenen Händen und Beulen am Kopf kümmerlich aus dem verflixten Kellerloch. Der Winzer aber war inzwischen schon aufs Feld gegangen, und Hans hielt dem Kaufmann an der Kutsche das Leitseil hin und die Peitsche und lachte sich hierauf ins Fäustchen. Also mußte der Filz unverrichteter Dinge abziehen und hatte zum Schaden noch den Spott. Seit der Zeit führt man in Frankfurt das Sprichwort, wenn man einen schnöden Handel nicht eingehen will: "Hans, blas 's Licht aus!"

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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