MARGARETHA MAULTASCH

In Tirol und Kärnten lebt unverblaßt die Erinnerung an Margaretha Maultasch fort. Vor alten Zeiten war sie Fürstin des Landes und hatte ein so großes Maul, daß ihr davon der Name blieb. Heute noch geistert sie auf Burgen und Schlössern umher. Die Klagenfurter gehen nach der Betglocke nicht gerne ins Zeughaus, wo ihre Waffen verwahrt liegen, oder ihr Vorwitz wird mit derben Maulschellen gestraft. Am großen Brunnen, wo der aus Erz gegossene Drachen steht, sieht man sie zu gewissen Zeiten auf einem dunkelroten Pferde reiten. Unfern des Schlosses Osterwitz stehet ein altes Gemäuer; manche Hirten, die da auf den Feldern ihre Herde weideten, nahten sich unvorsichtig und wurden mit Peitschenhieben empfangen. Man hat darum Zeichen aufgesteckt, über die hinaus keiner sein Vieh zu treiben wagt; selbst die Tiere mögen das schöne, fette Gras, das an dem Orte wächst, nicht fressen, wenn unwissende Hirten sie mit Mühe dorthin geführt haben. Öfter aber erscheint der Geist auf der alten Burg bei Meran, neckt die Gäste und soll einmal mit dem bloßen Schwerte auf ein neuvermähltes Brautpaar in der Hochzeitsnacht eingehauen haben, ohne aber jemanden zu töten. In ihrem Leben war diese Margaretha kriegerisch, stürmte und verheerte die festen Plätze des Adels und vergoß manch unschuldiges Blut.

Als bei andauernder Belagerung des Schlosses Dietrichstein (im Jahre 1334) die Kriegsobristen einsahen, daß sie den Platz in die Länge wider Frau Margaretha Maultasch nicht würden halten können, da sie zu mächtig war — da sie außerdem erkannten, daß von Erzherzog Otto zu Österreich keine Hilfe zu erwarten sei, zogen sie heimlich, bei Nacht und Nebel, mit dem ganzen kärntnerischen Kriegsvolk ab und kamen glücklich in der nahen Stadt St. Veit in Sicherheit. Wie nun aber die Maultaschischen folgenden Tages mit der Erstürmung wieder begannen und keinen Widerstand vorfanden, konnten sie leichtlich aus dem stillen Wesen auf der Burg erkennen, daß die Feinde sie uberlistet und ihr Nest leer gelassen hatten. Darüber entbrannte Frau Maultasch in heftigem Zorn und zwang ihre Streiter mit großem Geschrei trotzdem, die Mauern zu ersteigen und das Haus mit stürmender Hand einzunehmen. Auf ihren Befehl wurden die Mauern in wildem Grimm zerbrochen, die Türme und Tore alle der Erde gleichgemacht, die Zimmer verbrannt. Wenig Mauerwerk blieb nach dieser sinnlosen Zerstörung noch stehen. So ist Dietrichstein von der Maultasch greulich verwüstet worden und die Erben des Schlosses hatten viel Mühe, das Gebäu wieder zu errichten. Es ist nun die allgemeine Sage im Lande, daß in diesem verödeten Schloß ein unsäglich großer Schatz soll verborgen liegen. Außerdem soll es noch heutigen Tages geschehen, daß sich beim Betreten des Hauses ein solch Werfen, Poltern und Sausen erhebt, als ob alles über einen Haufen geworfen würde. Darum darf sich auch niemand unterstehen, zu lange an diesem Ort zu verweilen.

Als das Schloß Dietrichstein von der Frau Margaretha Maultasch belagert und verwüstet wurde, sind viele Herren und Landleute aus Kärnten mit Weib und Kind in eilender Flucht gen Osterwitz gezogen und wurden dort von dem Burgherrn, Reinher Schenk genannt, in Ehren empfangen. Hier konnten sie gute Hoffnung hegen, mit den Ihrigen vor der Tyrannin sicher zu bleiben. Osterwitz liegt von St. Veit in der Richtung nach Völkermarkt zu rechter Hand eine Meile Wegs auf einem starken und hohen Felsen, der von keiner Seite erstürmt oder angelaufen werden kann. Bald zog Frau Maultasch mit ihrem Kriegsvolk auf Osterwitz zu, besonders als sie gehört, daß viel des verhaßten Adels dort versammelt waren. Ihre Absicht war, solange vor dem Platze auf der Lauer zu liegen, bis sie ihn in ihre Gewalt bekommen könne. Als Herrn Reinher Schenk der Anmarsch des Feindeshaufens von seinen Kundschaftern angekündigt wurde, verteilte er unverzüglich seine Kriegsleute, nicht viel über dreihundert an der Zahl, auf dem Burgberge und traf alle Vorkehrungen gegen die kommende Belagerung.

Inzwischen stand Frau Maultasch auch schon vor dem Schlosse und ließ es im Kreise umringen, daß schier niemand zu den Belagerten kommen oder aus der Festung weichen konnte. Wie die Tyrannin einsah, daß es unmöglich sein werde, Osterwitz zu überwältigen, überfiel sie die umliegenden Dörfer mit Brennen, Rauben, Morden und Sengen und tat viel Schaden dem armen Volke. Als endlich aber die Zeit immer weiter verstrich und gegen die festen Mauern der Burg mit Gewalt nichts zu erreichen war, verordnete sie einen Gesandten an Reinher Schenk mit folgendem Befehl: er solle ihr Osterwitz übergeben, dafür dürfe er mit den Seinen frei abziehen. Doch Schenk hörte auf diese Verlockung nicht und antwortete dem Boten: „Ein Kind müßte ich sein, wollte ich auf die Drohungen und die Versprechungen der Fürstin hören.“ Als der Gesandte mit dieser abschlägigen Botschaft ins Lager zurückkam, rieten die Obristen der Maultasch, den Ort auszuhungern und mit solchem Mittel den kärntnerischen Adel zu Kreuze zu treiben.

Da nun diese Belagerung ziemlich lange währte, entstand in dem Schlosse Osterwitz nicht allein unter den gemeinen Knechten, sondern auch unter dem Adel, sonderlich aber bei den Frauenzimmern, ein großer Mangel an Nahrung und Getränk. Viele mußten darüber sterben. Von den dreihundert Knechten waren nicht viel mehr als hundert übrig, die sich mit abscheulicher Kost, Katzen, Hunde- und Pferdefeisch, sättigen mußten. Als die Not am höchsten stand, beratschlagten die vom Adel, wie zu helfen wäre, und fanden einen trefflich guten Ausweg. Sie sagten zu Herrn Reinher Schenk: „Von Herzog Otto ist keine Hlilfe zu erwarten. Weib und Kinder verhungern und verdursten. Es muß Wandel geschaffen werden. Wir haben deshalb eine geziemende Kriegslist erdacht. Alle Vorrate sind verzehrt, mit Ausnahme eines mageren Stiers und zwei Vierlingen Roggen. Es ist nun unsere Meinung, wir sollten den Stier abschlachten, in seine abgezogene Haut den Roggen einnähen und ihn also über den Berg herabwerfen. Sehen die Feinde diese Tat, so werden sie denken, wir leben noch in Überfluß und sind mit Hunger nicht zu zwingen. Wir glauben, sie ziehen dann ab, denn zu lange ist keine Belagerung gesund.“ Diesem Rat kam Herr Reinher Schenk gerne nach, ließ den Stier schlachten und ausnehmen, mit Roggen füllen und zunähen und den Berg hinabrollen. Als Frau Margaretha Maultasch davon erfuhr, tat sie einen lauten, zornigen Schrei: „Ha, das sind die Klaus-Rappen, die haben in ihrer Kluft bei guter Zeit soviel Nahrung zusammengetragen, daß wir sie nicht mit unseren Klauen fassen können. Darum lassen wir sie in ihrem Nest sitzen und machen ins auf die Suche nach anderen gemästeten Vögeln.“ Von Stund‘ an gebot sie ihrem Kriegsvolk, die Zelte abzubrechen. Jeder mußte dabei eine Sturmhaube mit Erde einfassen und diese auf einem ebenen Felde, Osterwitz gleich gegenüber, ausschütten. So entstand ein ziemlich großes Berglein, das man lange Zeit in Kärnten die Maultasch-Schutt genannt hat. Im Jahre 1580 hat Herr Georg Khevenhuller als Landeshauptmann von Kärnten der Frau Maultasch Bildnis in schönem, weißem Stein aushauen lassen, welche Säule das Kreuz bei der Maultaschschutt genannt worden ist.

Quelle: Im Reich der Sage; Otto Wutzel; Oberösterreichischer Landesverlag Linz;
4. Auflage 1958

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