Die Ägidius-Glocke

Die altgotische, dem heiligen Ägidius geweihte Pfarrkirche der Stadt Steyr, die im Jahre 1443 vom ersten Baumeister Hans Buxbaum nach dem Muster der berühmten Stefanskirche in Wien zu bauen begonnen wurde, ist nach dem neugotischen Maria-Empfängnis-Dom in Linz die schönste' Kirche Oberösterreichs.

Der alte sechseckige Quaderturm der Stadtpfarrkirche ragte bis zum Jahre 1876, in welchem Jahre der obere Teil des Turmes abbrannte, in acht Geschossen mit hohen Turmfenstern hoch in die Lüfte; der obere Teil mit Kuppeldom gehörte nicht dem ursprünglichen Bau an und harmonierte im Stil nicht mit demselben.

In diesem Turm hing einige hundert Jahre lang die dem heiligen Ägidius geweihte Glocke. Diese Glocke, die unter ihren Schwestern die größte und schönste war, wurde im Jahre 1522 gegossen. Sie soll einen volltönenden, wunderbaren Klang gehabt haben. Ein frommer Wohltäter hatte sie einst zur Kirche gestiftet.

Von dieser berühmten Ägidius-Glocke erzählt die Sage: Einst verreiste der Stifter dieser Glocke und ließ lange nichts von sich hören; man glaubte schon, er komme überhaupt nicht mehr. Als er aber eines Tages ganz unerwartet zurückkam und durch das schöne Schmucktor, das Schnallentor genannt, herein in die Stadt zog, fing die große Glocke von selbst zu läuten an.

Diese alte Glocke, deren schöner, erhabener Klang vierhundert Jahre lang, vom Mittelalter bis in die Neuzeit, die Steyrer Bevölkerung, ob jung, ob alt, in guten und schlechten Zeiten erfreute und sie tagtäglich zum Gottesdienste rief, existiert schon lange nicht mehr; im Jahre 1849 wurde sie umgegossen und im ersten Weltkrieg ist sie dem Kriegsgott zum Opfer gefallen.

Als dieser fast sechs Jahre dauernde Krieg vorüber war, hängte man eine neue Ägidius-Glocke, die zweite, in den Turm. Diese fiel dem zweiten Weltkrieg zum Opfer. Wieder eine neue, große, edelgeformte, 2789 Kilogramm schwere Ägidius-Glocke, die dritte, gegossen in der Glockengießerei in St. Florian, wurde im Jahre 1956 hoch hinauf in den Turm gezogen und hängt nun in dem Glockenstuhl des in den Jahren 1885 bis 1889 in rein gotischem Stile ausgebauten, achtzig Meter hohen, schlanken Turmes, der mit seinem vergoldeten Knauf weit ins Land schaut; er ist eines der schönsten Wahrzeichen der Stadt Steyr.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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