Die ersten Käselaibchen

Es war am Jakobitag des Jahres 1924. Pater Jakob Mühlböck, der Schaffner des Stiftsmeierhofes, beging seinen Namenstag. Im Aufenthaltsraum der geistlichen Herren saßen der Abt Dr. Alois Wiesinger und die Patres beisammen und feierten bei einem Gläschen Wein das Namensfest Pater Jakobs.

Die Gespräche begannen zu stocken, als sich die Tür öffnete und Bruder Leonhard eintrat. Er trug einen Teller mit sechs kleinen runden Käselaibchen und stellte ihn auf den Tisch, an dem der hochwürdigste Abt und der Pater Schaffner saßen.

„Ja, was ist denn das?“ fragte der Abt. „Ist das gar. . ."

„... die erste Kostprobe des neuen Käses, Euer Gnaden. Eine kleine Namenstagsüberraschung für den Pater Schaffner“, ergänzte der Bruder.

Nun kam Bewegung in die Patres, und sie bestaunten die Laibchen wie ein kleines Wunder. Es war ja nicht geheimgeblieben, daß Bruder Leonhard schon seit einiger Zeit versuchte, einen schmackhaften Käse zuzubereiten. Darum hatte ihn der Abt in das Kloster St. Ottilien in Bayern geschickt, wo er in der Molkerei und Käserei ausgebildet worden war.

Die Patres rückten noch näher zusammen, und mit ihren Nasen nahmen sie den würzigen, leichtscharfen Geruch des Käses wahr. Bald waren die Laibchen in Stücke geschnitten.

Die erste Kostprobe erhielt der Abt. Dann griffen auch der Schaffner und die anderen Patres zu.

„Der Käse schmeckt ja ausgezeichnet“, lächelte befriedigt der Abt. „Bruder Leonhard, das ist ein sehr schmackhafter Bissen, der uns zum Nachtisch vortrefflich munden wird.“

„Bruder Leonhard soll für die ganze Klostergemeinschaft diesen Käse in ausreichender Menge bereiten“, meinte ein Pater.

„Und ich glaube“, sagte der Abt, „wir sollten unter Leitung von Bruder Leonhard im Stift eine Käserei errichten. Der Käse wird sicherlich auch außerhalb des Klosters gern gekauft werden, und so erwarte ich, daß die Käserei eine neue Einnahmequelle für das Kloster werde. Pater Schaffner wird das sicherlich begrüßen.“

Und so wurde es auch. Der Käser Leonhard war hocherfreut, daß die mühevolle Arbeit der verschiedenen Versuche zu diesem Erfolg führte.

Die Milch, die der Meierhof lieferte, reichte bald nicht mehr zur Käseerzeugung aus. Darum mußte Leonhard bei den Bauern der Umgebung Milch einkaufen. Schon im nächsten Jahr wurden fast 100.000 Liter Milch angekauft und bei 200.000 Stück Klosterkäse erzeugt.

Anfangs wurde der Käse, von dem nach und nach verschiedene Sorten erzeugt wurden, nur im Ort vertrieben. Aber bald schon brachte eine Botin den Käse nach Kirchdorf zu den Kaufleuten. Heute gibt es in ganz Österreich und über seine Grenzen hinaus Schlierbacher Klosterkäse zu kaufen.

Jeden Tag werden jetzt von den Bauern mindestens 10000 Liter Milch angeliefert. Die Käserei ist nun mit modernen Maschinen ausgestattet. Zwanzig Arbeiter bereiten täglich aus der Milch in verschiedenen Arbeitsgängen ungefähr 10000 Stück Klosterkäse.

Als Kirchdorfer Kind kennst du den Käse sicher. Ein Stück Schwarzbrot mit Butter und Schlierbacher Käse schmeckt ganz vortrefflich.

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine

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