Der Leonhardi-Ritt von Pettenbach

Jedes Jahr am 6. November feiert das Bauernvolk von Pettenbach das Fest des Viehpatrons, des heiligen Leonhard. Kalt ist es schon in diesen Tagen nach Allerheiligen, und am Morgen liegt Nebel über dem Almtal.

Am Leonharditag dröhnen krachende Böllerschüsse durch die Herbststille. Bauern und Bauernsöhne rüsten sich. Einheimische und Fremde brechen zur Wallfahrt auf. Die Rösser in den Ställen werden noch gestriegelt und gebürstet. Die Knechte fetten ihnen die Hufe und drehen die Mähnen in Zöpfe. Die schimmernden Pferdeschweife werden mit bunten Kreppapierstreifen geschmückt, und um den Hals wird ein Kränzlein aus Reisig und Blumen gebunden.

Der Bauer legt des Großvaters Tracht an: eine lange Lederhose, weiße Wollsocken und Bundschuhe. Dazu gehört noch ein langärmeliges schneeweißes Hemd, ein schwarzes Leibl mit großen Silberknöpfen und ein mit Federkielen ausgenähter Ranzen. Den Kopf bedeckt ein einfacher schwarzer Hut.

Im Pfarrhof Pettenbach wird der Festzug zusammengestellt. Zum Donnern der Böller und dem Getrampel der Pferdehufe schmettern die Trompeten und die Posaunen der Musikkapelle. Sobald um neun Uhr alle Reiter und Festgäste versammelt sind, beginnt der Aufbruch zum Kirchenplatz. Voran reitet auf einem Rappen der Stabshornist. Zu Fuß folgt die Musikkapelle, dann der Langbauer mit der Leonhardistandarte, neben ihm reiten seine Söhne.

Der Priester sitzt auf einem schön geschmückten Schimmel. Um seine Schultern liegt ein schneeweißer Mantel. Das Pferd führen zwei rot gekleidete Pagen. Sie haben weiße Strümpfe an und einen weißen Federbusch auf dem rotgoldenen Käppchen. Dahinter reiten in Paaren die übrigen Bauern, oft achtzig an der Zahl.

Der Priester erteilt dem Festzug vor der Sakristeitür den Segen, und dann ruft der alte Stoaner: „Laßt uns wie zu Väters Zeiten nun nach Heiligen-Leithen reiten!“ Hierauf setzt sich die Reiterschar in Bewegung. Die Musikkapelle schreitet voran, und die Glocken läuten. Der Priester, seine Ministrantenbuben mit ihren bunten Fahnen und viele Gläubige wallfahrten hinterdrein.

Vorbei ziehen sie am Klösterl, von dessen Turm die Glocken bummeln. Die Pferde schwitzen, aber wiehern vor Freude. Auf einem Hügel steht das alte Kirchlein von Heiligen-Leithen. Auch hier werden die Wallfahrer mit Glockengeläut empfangen. Rings um die vielen Kirtastandl flattern rot-weiß- rote Fahnen. Vor dem Kirchentor segnet der Bischof oder ein Abt Pferde und Reiter. Zechpröpste reichen jedem Pferd ein Stück geweihtes Brot.

Nach der Segnung wird die Rittmesse zu Ehren des heiligen Leonhard gefeiert, während auf einer nahen Wiese die Pferde weiden. Viele Leute steigen nach dem Gottesdienst noch zum Leonhardibrünnlein hinunter. Sie waschen ihre Augen und nehmen in einem Gefäß Leonhardiwasser mit.

Bei den Standln wird noch rasch ein „Kirta“ eingekauft, und dann ziehen die Wallfahrer zu Roß oder zu Fuß wieder zurück nach Pettenbach. Sie sind gewiß, daß der heilige Leonhard wieder auf ein Jahr ihr Vieh behüten wird.

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine

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