Orientierungsmarsch

09.05.2016

Der heutige Tag gilt wieder der Orientierung, um erstens mich später gut zurechtzufinden und zweitens hierbei einen ungefähren Überblick über das Inventar an Lebensräumen zu erhalten ... aber gleich zu Beginn zieht es meinen Blick auf bunte Tupfen am Boden, wo mich die Blüten des Gewöhnlichen Reiherschnabel (Erodium cicutarium) freundlich begrüßen.

Und schon wenige Schritte später einige wenige Blüten des häufig am Wegrand und an Ackerrändern zu findende Acker Stiefmütterchens (Viola arvensis) - die ein wenig nach Kampfer schmeckenden Blüten können für Salate und Suppen verwendet werden; sogar Ansatzschnäpse wurden hergestellt. In der Volksmedizin wurde es bei Erkältungen und Kopfschmerzen, äußerlich auch bei Hautproblemen angewendet.

Aber nun gehts einmal forsch die Wege und Forststraßen entlang ... wobei lichte Bereiche durchschritten werden, um gleich darauf wieder in junge frischgrüne Baumgruppen mit lockerem, niedrigem Unterbewuchs einzutauchen ....

Irgendwann treffe ich dann auf die Geleise der Bahn, welche dem Verschub von Waggons im Tanklager der OMV dienen ...

... und noch während ich die beiderseits befindlichen Waldränder und die Bereiche um die Schienenstränge betrachte, findet ein solcher Verschub von Tankwaggons mittels einer Diesellok statt.

Weiter gehts in den freundlich wirkenden, abwechslungsreichen Wald aus Eichen, dazwischen eingesprengt wenige Buchen und nur vereinzelte Rotkiefern ... dann wieder vorbei an freien verbuschten Flächen mit saftigem Grün ....

... manchmal wieder durch älteren wenn auch dünnstämmigen Eichenbestand, der wohl dem schottrigen und damit nährstoffarmen Untergrund zuzuschreiben ist. Hier wiederum ist der Boden mehr beschattet, der Unterwuchs ist gut durchmischt mit verschiedenem Alter und differenten Höhen ...

... und die Feuchtigkeit lockt - wieder einmal - eine Weinbergschnecke (Helix pomatia) hervor, die sich an welken Blättern labt und mit ihrer Raspelzunge Portion um Portion in ihren gefräßigen Mund hineinschabt..

Ein paar Eschen finden sich am Weg ... aber die sehen so gar nicht gut aus! Ist einfach der Austrieb so verspätet gegenüber den anderen Bäumen oder wütet auch hier dieser aggressive, angeblich aus Japan eingeschleppte Schlauchpilz mit dem lieblichen Namen "Falsches Weißes Stängelbecherchen" (Hymenoscyphus pseudoalbidus) der die europäischen Eschen auszurotten droht? Es ist der Pilz ....

Wieder tauche ich ein in einen Wald mit verschieden alten und dicken Eichen und kräftigem Unterwuchs; ein schmaler Pfad schlängelt sich hier durch und führt schließlich an eine Geländekante ...

... von der man an bestimmten Stellen einen ganz speziellen Einblick in die obere Schicht des Baumbestandes erhält. Licht und Schatten treiben hier ihr ganz besonderes Spiel, wobei dieser wechselhafte Eindruck durch sanften Wind noch verstärkt wird, indem die Schatten sich bewegen, die Lichterflecken sich laufend verschieben. Dazwischen tönen die Gesänge von Buchfink, Mönchsgrasmücke und das laute Lärmen des Buntspechtes ...

Der Waldrand wurde angekündigt durch den Gesang der Mönchsgrasmücke, welche im geschlossenen Wald kaum zu finden ist - sie schätzt sehr lockeren, niedrigen Bewuchs, Büsche und einzeln eingesprengte Bäume an Waldrändern und Lichtungen. Hier findet sich ein alter Baumstrunk, der malerisch seine dürren Enden in die Luft reckt ... eine gute Stelle für eine spätere Exkursion, um ihn an warmen Abenden nach Insekten, speziell Käfern, abzusuchen ...

Wenn mich nicht alles täuscht, sollte das eine Absicherung eines Ameisenhaufens gegen Dachs und Schwarzspecht sein - der Haufen ist aber bereits unbelebt, von zahlreichen Wurzeln durchwachsen und komplett unter dem Gitter verfilzt. Mir fällt jetzt auf, dass ich noch kaum Ameisenhaufen gefunden habe - auch das vermerke ich in Gedanken und verschiebe die Suche nach solchen auf später ... welche Ameisen bevorzugen denn überhaupt Eichenwälder bzw. deren Waldränder? Ich muss mir selber eingestehen: ich weiß es nicht .... (inzwischen habe ich nachgelesen: die Haufen der Kleinen Roten Waldameise, auch Kahlrückige Waldameise (Formica polyctena) sollte hier im Eichenwald zu finden sein ...)

Eine Lichtung hält wieder ein paar einzelstehende Bäume bereit - und ein abfliegender Buntspecht (Dendrocopus major) verrät die vorhandenen Brutlöcher, von denen ich aber (noch) nicht erkennen kann, ob sie belegt sind oder gar schon Junge beinhalten.

Irgendwann treffe ich auf dieses Waldstück, das einen angelegten Fichtenforst darstellt. Der Unterbewuchs zeugt noch vom ehemaligen Eichenwald - die Fichten stehen zum ersten Mal auf diesem Boden und ihre Nadeln konnten den Boden noch nicht so stark übersäuern, dass die krautige Vegetation schon verschwunden wäre. Aber es sind schon zahlreiche schütter bewachsene Stellen zu erkennen ... irgendwann wird dieser Teil des jetzigen Forstes ebenso dunkel sein wie alle anderen Fichtenforste ... und ebenso artenarm, was Tiere und Pflanzen betrifft!

Ich habe einen äußersten Rand des Waldes erreicht und finde dort nicht nur in regelmäßigen Abständen solche schmiedeeisernen Wegekreuze, sondern auch Wegweiser, die mich darauf aufmerksam machen, dass ich mich direkt am Österreichischen Jakobsweg befinde ... durchaus eine gute Gelegenheit, dort ein wenig zu verweilen und die Gedanken schweifen zu lassen, durch die Geschichte der Region, grübeln über Gläubigkeit und Profitstreben, nachdenken über den Wald, wie ich ihn erlebe, gesehen habe, wie er sich mir präsentiert, wie er mich einfängt in seine Ruhe, Stille und Gelassenheit ...

Die Rast hat gut getan und die Gedanken vom methodischen Erfassen des Gesehenen abgebracht. Und so packe ich Kamera und Notizblock ein und lasse mich darauf ein, dass die mir noch vielfach unbekannten Wege mich wieder zurück zum Ausgangspunkt leiten ...

Die Wärme der freien Fläche wird getauscht mit dem kühlen Waldschatten, der mich schon nach wenigen Schritten umfängt ...

 

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